Barbara konnte mit dem geheimnisvollen Wort “Walhalla” wenig anfangen (ähnlich wie mit “Kyffhäuser”) und hatte sich immer dafür interessiert, was da eigentlich dahinter steckt. Deshalb sollte für sie eines der Ziele der Thermenreise sein, wenn sie schon mal da unten rummacht, auch genauer rauszukriegen, was eigentlich die “Walhalla” ist. Ich selber hatte eine vage Vorstellung - irgendwas deutsch-nationalistisch-mystisches: deutsche Heldenverehrung. Germanische Helden gehn beim Heldentod in die Walhalla ein (sone Art Heldenparadies). Sonst wußte ich auch rein gar nix.
Die Walhalla liegt ein Stück außerhalb von Regensburg bei der Kleinstadt Donaustauf.
In Donaustauf suchten wir uns zunächst ein Café. Dabei betrachtete ich mir in einem Park vor dem Ort eine deutsche Heldengedenkstätte der jüngeren Art:
Interessant: die meisten Gefallenen gab es erst ab 1944
Der wackere Held tritt souverän den bösen Giftwurm nieder - so edel sahen sich die Deutschen.
Nun aber zur Walhalla selber. Ich war überrascht, als ich - oben auf dem Berg angekommen - plötzlich einen großen, hellen, klassischen griechischen Tempel nach Art der Akropolis vor mir sah.
Da oben auf dem Fries findet offenbar gerade ein übles Hauen und Stechen statt - es handelt sich ja auch um die Schlacht im Teutoburger Wald.
In der Mitte steht Hermann der Cherusker, rechts sind die Römer, links die Germanen:
Auf der anderen Seite dieser Akro hat man einen schönen Blick auf die Donau, im Hintergrund ist Regensburg:
Die Walhalla von der Donaurichtung aus gesehen:
So sah die Anlage 2 Jahre vor ihrer endgültigen Fertigstellung aus. Die Aufnahme ist von 1840.
Das Bild stammt aus der Wikimedia/Wikipedia
Hinter mir ist der Eingang ins Innere - und über mir wieder ein Fries, diesmal Richtung Donau.
Die diversen Damen und Herren aus der Sauna stellen deutsche Bundesstaaten des Deutschen Bundes dar, die der Germania in der Mitte huldigen.
Es gibt auch noch eine Inschrift von Ludwig I. auf einem Gedenkstein:
Möchte Walhalla förderlich sein der Erstarkung und der Vermehrung deutschen Sinnes! Möchten alle Deutschen, welchen Stammes sie auch seien, immer fühlen, dass sie ein gemeinsames Vaterland haben, ein Vaterland auf das sie stolz sein können, und jeder trage bei, soviel er vermag, zu dessen Verherrlichung.
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Werfen wir nun einen Blick in das Innere der Walhalla, um zu erkennen, wer denn eigentlich alles so gemeint sein könnte, der vorbildlicherweise “deutschen Sinnes” ist.
So sieht die Halle von Innen aus - mit Blick auf das Kassenhäuschen am Eingang. Alle Büsten stellen vorbildliche Menschen ‘deutschen Sinnes’ dar. Natürlich ist das ein Politikum. Ist Heine ein vorbildlicher Deutscher? Seit 2010 offenbar ja. Für den deutschen Widerstand steht seit 2003 stellvertretend Sophie Scholl. Und Einstein wurde auch noch als vorbildlicher Deutscher 1990 anerkannt (wogegen der sich wahrscheinlich heftig gewehrt hätte).
Das Foto stammt aus der Wikimedia/Wikipedia. Autor: Tim Meuter 2005.
Mit anderen Worten: Es handelt sich um ein Panoptikum zusammengewürfelter Personen - je nach herrschendem Zeitgeist ab 1800 - ohne sinnvolle Gewichtung der verschiedenen (auch heterogenen, sich widersprechenden) Strömungen. Das 3. Reich und die DDR bleiben verständlicherweise außen vor, ok. Und die Weimarer Republik ist offenbar eine zu heiße Kartoffel - sonst hätte man am Ende noch den reaktionären HitlerzumKanzlerErnenner Paul von Hindenburg mit rein nehmen müssen oder gar den Sozialdemokraten Ebert. Man kann die Sache höchstens historisch betrachten - oder auch als Dokument, wen oder was die Offiziellen für wichtig erachten (oder auch nicht). Daß man den staatstragenden Eiertanz der Walhalla nicht richtig ernst nehmen kann, erkennt man paradigmatisch daran, daß solche wirkungsmächtigen ‘Offizial-Persönlichkeiten’ wie Thomas Mann, Werner Heisenberg oder Willy Brandt in diesem Panoptikum fehlen. - Aber wenn man einmal darüber nachdenkt, wer oder was eigentlich alles fehlt - selbst an ‘Offizial-Persönlichkeiten’ - merkt man einfach die Unausgegorenheit der Sache.
Von Loudon, ein Feldmarschall (1813) und Katharina die Große (1831)
Klopstock (1808) und Friedrich von der Pfalz (1842)
Kopernikus (1807) und Beethoven (1866)
Kaiser Wilhelm I. (1898) und Moltke (1910)
Richard Wagner (1913) und Albert Einstein (1990) [hält gerade ein Mittagsschläfchen?]
Adenauer (1999) und Gauß (2007)
Heinrich Heine (2010) und Sophie Scholl (2003)
Es gibt auch noch eine “Befreiungshalle” (Befreiung vom napoleonischen Joch), ebenfalls von König Ludwig I. erbaut. Einen schönen Reisebericht zur Walhalla und zur Befreiungshalle findet man hier.
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Während Barbara immer mal wissen wollte, was eigentlich die ‘Walhalla’ ist, hatte ich wiederum ein spezielles Interesse, mir das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg anzuschauen. Da man easy auf der Autobahn von Regensburg nach Nürnberg durchbrettern kann, machten wir uns um kurz nach 11 walhalla-mäßig vom Acker. Um Viertel nach 1 waren wir am Ziel angelangt.
Hier sieht man die Rückseite vom “Zeppelinfeld”, wo sich einige wichtige Actions der Nazitreffen abgespielt haben, wie man sie auch von dem Film “Triumph des Willens” von Riefenstahl (1934) kennt; (z.B. bei ca. 1h:10min die Hitler-Rede bzgl. SA und SS).
[Es ist unklar, ob der Film in Deutschland verboten ist oder lediglich ein ‘Vorbehaltsfilm’ oder was auch immer. Deshalb habe ich vorsichtshalber nicht die Internetadresse angegeben, über die man sich den Film anschauen bzw. herunterladen kann. Am Ende hätte ich deswegen noch irgendwelche Abmahner an den Hals gekriegt!]
Das ist das, was heutzutage von der Tribüne des Zeppelinfeldes noch übriggeblieben ist. 1967 wurde eine Menge Zeug weggesprengt (die oberen Säulen vor allem).
So sah die Sache fertiggestellt 1938 aus. 1934 (beim Riefenstahlfilm) fehlten noch die Säulen und was nicht alles.
Dieses Reichsparteitagsgelände ist ein ziemlich weitläufiges Areal mit unterschiedlichen Projekten, wie sie hier auf der Karte schematisch dargestellt sind:
Die Karte stammt aus der Wikimedia/Wikipedia. Urheber: Lencer 2007
Nachdem wir die Haupttribüne (Nr.12) des Zeppelinfeldes besichtigt hatten, machten wir uns zum “Dokumentationszentrum”. (Beim Cola-Trinken am Kiosk beim Zeppelinfeld lernte ich mal wieder einen richtig fiesen Nazi kennen - den Kioskbetreiber, der mich aus dem Off unter einem idiotischen Vorwand blöd anmachte. Solche Verhaltensstrukturen kannte ich aus meiner Kindheit, die mit der Nazizeit eng verzahnt war). Das Dokumentationszentrum befindet sich in dem Bau Nr.5, d.i. die “Kongreßhalle”. Dieses Dokumentationszentrum ist äußerst empfehlenswert. Die Dokumentationen (Filme, Fotos, Plakate, Erläuterungen usw.) sind großenteils sehr gut aufbereitet und waren mir weitgehend neu und wir hatten leider mal wieder viel zu wenig Zeit.
<Die Dauerausstellung Faszination und Gewalt befasst sich mit den Ursachen, Zusammenhängen und Folgen des Nationalsozialismus. Aspekte, die einen deutlichen Bezug zu Nürnberg haben, werden dabei hervorgehoben, denn Nürnberg galt im Dritten Reich als Stadt der Reichsparteitage und wurde vielfach für Propagandazwecke genutzt. Zu den Themen mit lokalem Bezug gehören die Geschichte der Reichsparteitage, die Bauten des Reichsparteitagsgeländes, die Nürnberger Gesetze, der Nürnberger Prozess gegen Hauptverantwortliche der NS-Verbrechen 1945/46 und seine zwölf Nachfolgeprozesse sowie der Umgang mit dem nationalsozialistischen Architekturerbe nach 1945. Durch die Ausstellung führt ein tragbarer Audioguide, der dem Besucher die Texte in sieben Sprachen vermittelt.> (Aus Wikipedia)
Das Dokumentationszentrum ist auch architektonisch außergewöhnlich. Dies ist der Eingang:
Das Foto stammt von Wikimedia/Wikipedia. Urheber: KaterBegemot, Mai 2011
Und hier ist die “Kongreßhalle” in Luftaufnahme. Sie wurde 1935 begonnen. Ihr Weiterbau wurde jedoch während des Krieges eingestellt. Hinter den Arkadenbögen im Parterre können bequem Personenwagen im Inneren herumfahren. Das Ding ist einfach kolossal, weil dem römischen Kolloseum nachempfunden. Von dem fertiggestellten Halbkreis sollte ein freitragendes Dach den Innenraum überspannen. 50.000 Pg’s sollten darin Platz finden, um dem Führer zuzujubeln.
Das Foto stammt von Wikimedia/Wikipedia. Urheber: Nicohofmann, 2009
Der heutige Innenhof der Kongreßhalle
Das Foto stammt von Wikimedia/Wikipedia. Urheber: Magnus Gertkemper, 2008
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Gegen 18 Uhr verließen wir das Dokumentationszentrum und wollten Nürnberg Richtung Würzburg verlassen. Da hatten wir aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. In der Stadt ging’s nur im Schneckentempo vorwärts und auf der Autobahn herrschte in allen für uns in Frage kommenden Richtungen Stau, was meine Fahrerin Barbara jeweils glücklicherweise schon von Weitem geschnallt hatte, sodaß unsere Flexibilität hochgradig gefragt war. Auf der Autobahn Richtung Heilbronn herrschte als einzige kein Stau und wir nahmen dann diese ‘falsche’ Richtung. Bis sich herausstellte, die war gar nicht so falsch, denn bei Ansbach machten wir uns rechts ab, auch wieder Richtung Würzburg. In dem Naturpark Frankenhöhe (rechts von Rothenburg ob der Tauber) suchten wir uns ein musikalisches Plätzchen, solange es noch hell war, wo wir den heutigen Tag samt Deutscher Geschichte erst mal in Ruhe reflektieren konnten.
Gut, das Wetter war wieder für’n Popo, aber was will man machen!
(Die Lautsprecher rechts mit dem blauen Lämpchen, d.h. die eigene Musikanlage samt “TrekStore i.Beat xtension” mp3-Player, war notwendig, weil unser neunmalkluges High-Tech-Citronen-Auto nach einer Viertelstunde die Musik einfach abstellte, wenn das Auto nicht in Betrieb war. Das ließ sich unseres Wissens auch an keinerlei Einstellung ändern).
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